Kommentar zur Stadtratssitzung der WES Quedlinburg am 16.07.2020
Es geht um eine Badelandschaft. Es geht um Infrastruktur und es geht um Natur. Und wohl auch um (nicht öffentliche) Einzelinteressen.
Friedrich ist 15 Jahre alt und hat eine Vorstellung von seinem Lebensumfeld.
Friedrich machte sich auf und sammelt Unterschriften. Es folgen Aktionen von Bürger*innen, Anträge werden formuliert und in den Stadtrat der WES Quedlinburg eingebracht. Die Fraktionen bereiten
sich inhaltlich vor. Die Verwaltung der WES Quedlinburg ist vorbereitet.
Friedrich spricht beherzt vor dem Stadtrat und dem Oberbürgermeister. Er beschreibt. In der Aufregung geht manchmal die Dimension verloren. Und daran wird er das erste Mal kleingemacht.
Der erste fraktionelle Redebeitrag greift den jungen Mann, der sich aufmachte, Positionen zu erarbeiten und öffentlich darzustellen, ebenfalls persönlich an.
Es wird von Ideologie gesprochen.
Es wird von Wirtschaftsinteressen und Stadtentwicklung gesprochen und den jungen Menschen und Bürger*innen der Stadt abgesprochen, ein inhaltliches bzw. politischen Verständnis zu entwickeln. Das Nachfragen zu Auftragsdaten für Ausschreibungen nicht beantwortet werden und weiterhin der Bürger im Dunkeln tappt gehen Hand in Hand. Der Antragsteller bleibt mangels Informationen blind. Der interessierte Bürger, neu in die Weltkulturerbestadt Quedlinburg gezogen, wird über dessen Nachfragestruktur in die Lächerlichkeit gezogen.
Friedrich bleibt blind.
Nach alldem gestrig öffentlich Erlebten in einer politisch agierenden Gemeinschaft muss doch die Frage nicht mehr gestellt werden, warum sich Bürger*innen nicht mehr politisch engagieren. Die Wahlbeteiligungen sich in Kleinstsummen bewegen.
Es werden gezielte Weniginformationen preisgegeben. Es erinnert ein wenig an Hänsel und Gretel. Brotkrumen zur Fährtenlegung. Auch zum Ablenken vom Hauptthema.
Ich bin froh darum, dass Friedrich sich aufgemacht hat. Ohne das berühmte erste Mal geht es nun mal nicht.
Die demokratische Gemeinschaft kann nicht verzichten auf Menschen, die sich erst am Anfang ihrer Politisierung befinden, sich in die Ideenfindung einbringen. Politische und gesellschaftliche Bildung fortschreiben.
Das Erhalten des Status Quo, das Sichern der Pfründe und individualisierte Durchsetzen von Wünschen unter dem Deckmantel fraktioneller Arbeit auf den jeweiligen Ebenen führt dazu, dass sich bald niemand mehr an einem Sonntag vom Sofa erhebt und wählen geht. Die Glaubwürdigkeit aller (!) gewählten Vertreter der Bürger*innen wird dadurch beschmutzt.
Wir sprechen im Rahmen des Demokratiekonzeptes in der WES Quedlinburg über politische Bildung. Ein Jugendparlament als Idee. Der Sparringspartner für Politiker. Politiker, die über Jahre hinweg erlernt haben, wie unbequemes Gedankengut auszusetzen geht.
Sollen die jungen Menschen unter dem Stichwort Jugendparlament eine politische Perspektive, auch die einer Stadt, erlernen, die in der Dimension zeigt, wie Unbequemes abserviert und mundtot gemacht wird?! Damit nicht der Weg einer gesellschaftlichen Kompromisslinie, sondern der individuelle Wille eines Einzelnen Durchsetzung findet.
Im Gespräch bleiben und nicht verzagen. Ansprechpartner und Coaches sein für die Menschen, die sich einbringen wollen. Ihnen helfen, Gehör zu finden, den Mut zu haben, sich zu präsentieren, auch wenn man blind ist, den Mut zu haben, auch den eigenen Weg (sowohl als Mensch und als Partei) zu
überdenken…. Dafür stehe ich. Und viele andere mehr.
Es ist an der Zeit, neue oder andere Gedanken intensiv aufzunehmen und weiterzuentwickeln.
Herzlichst Ihre
Anke Schleritt
SPD – Stadträtin WES Quedlinburg
stellv. Vorsitzende SPD Ortsverein Quedlinburg